„ADHS“ ist in aller Munde und eine Modediagnose. Viele glauben, darunter zu leiden oder schreiben diese Eigenheiten anderen zu. Wenn du wissen willst, ob du selbst oder dein Partner unter dieser Störung leidet und welche Auswirkungen es möglicherweise auf deine Beziehung hat, dann wirst du im folgenden Beitrag Antworten finden.
Was versteht man unter ADHS?
Dies heißt genau Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und man nahm bis vor ein paar Jahren an, dass diese nur im Kindes- und Jugendalter auftritt und sich später auswächst. Nun ist aber bekannt, dass diese Neurodiversität auch bis ins Erwachsenenalter fortbestehen kann. Wobei sich die Symptome ähnlich wie im Kinder- und Jugendalter in folgenden Bereichen beschreiben lassen: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Nur äußern sich die Merkmale im Erwachsenenalter anders. So zeigen sich typische Merkmale in Problemen bei Routinetätigkeiten, Ungeduld, nicht planen können, oftmaliges Verlieren oder Vergessen von Dingen, schneller Wechsel von Aktivitäten, Arbeiten nicht fertig erledigen zu können und Konzentrationsschwierigkeiten. Probleme in der Impulsivität können sich zum Beispiel darin zeigen, dass Betroffene unüberlegte Entscheidungen treffen wie etwa beim Geldausgeben, Reisen, sozialen Aktivitäten oder häufig den Job wechseln.
1. Ursachen für ADHS
Wo sind nun die Ursachen für dieses Phänomen zu suchen? Auch wenn es kein allgemein akzeptiertes Erklärungsmodell gibt, so werden genetische Faktoren und ein spezieller Neurotransmitterstoffwechsel angenommen. Neurotransmitter sind die Botenstoffe, die zwischen den einzelnen Hirnzellen eine Verbindung herstellen. Wenn es in diesem Bereich zu bestimmten Abweichungen kommt, führt dies zu Störungen im Bereich der Selbstregulation und Aufmerksamkeit mit den oben genannten typischen Symptomen. Während im Kinder- und Jugendalter noch die biologische Komponente von großer Bedeutung ist, spielen im Erwachsenenalter psychologische Faktoren zusätzlich eine wichtige Rolle.
Wenn man all ́ diese Merkmale liest, kann man sich denken, dass Betroffene, mit ihren speziellen Besonderheiten, eine Beziehungsdynamik entstehen lassen, die zu Schwierigkeiten in der Paarbeziehung führen kann. Weder für Betroffene selbst noch für ihr Umfeld ist es immer einfach, den Anforderungen des gemeinsamen Alltags gerecht zu werden. Denn ADHS ist ein komplexes Störungsbild, wo die Auswirkungen in den unterschiedlichsten Bereichen zum Tragen kommen können.
2. ADHS und die Liebesbeziehung
ADHS- Betroffene vergessen öfter Dinge, neigen zur Unpünktlichkeit, verlieren oftmals Dinge und sind unkonzentriert. All ́ dies sind Verhaltensweisen, die im sozialen Kontext zu Problemen führen, genauso wie in romantischen Beziehungen. Denn es lässt sich gar nicht vermeiden, dass der Partner ohne ADHS sich durch solche Aktionen persönlich gekränkt und vor den Kopf gestoßen fühlt. Dies birgt somit eine Menge an Sprengstoff und führt oft zu Auseinandersetzungen. Hier ist es wichtig, dass sich beide bewusst machen, dass es sich hierbei um ein neurologisches Störungsbild handelt und der Betroffene nicht mit böser Absicht vorgeht oder jemand emotional verletzen möchte. Beide sind durch die Schwierigkeiten, die der ADHS-Betroffen mit Bezug auf seine Selbstregulation hat, genervt und sollten sich dies auch gegenseitig eingestehen. Meist ist der Betroffene selbst absolut nicht glücklich über seine Schwierigkeiten und bemüht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Er braucht dabei die Hilfe und Unterstützung vom anderen und sollte dies offen kommunizieren. Es selbst hinunterzuspielen, macht wenig Sinn und verleugnet die Realität. Über den Leidensdruck offen zu kommunizieren kann schon Erleichterung verschaffen und wenn das Paar es auch noch schafft, die Eigenheiten mit Humor zu nehmen und darüber zu lachen, ist viel gewonnen. Wichtig ist, dass ihr als Paar euch realistische Ziele setzt und klare Regeln festlegt. Achtet darauf, dass Sport und Bewegung in der Beziehung nicht zu kurz kommen, um einen Ausgleich zum Alltagsstress zu finden. Entwickelt einen Sensor, um Reizsignale rechtzeitig zu erkennen, damit ihr sofort eure Grenzen ausmachen könnt. Worum es nicht geht, ist dass einer von euch in die Rolle „des Gesunden“ und einer in die „des Kranken“ rutscht, was auch überhaupt nicht der Realität entspricht. ADHS ist eine spezielle Art, sich selbst, andere und die Welt wahrzunehmen, von der in bestimmten Bereichen beide profitieren können. So sind oftmals ADHS-Betroffene sehr feinfüllig, kreativ, spontan, begeisterungsfähig und ehrlich. Wenn ihr es schafft, euch gegenseitig zu bereichern und voneinander zu lernen, könnt ihr an eurem Anderssein wachsen. Betroffene sollten Verständnis dafür aufbringen, dass ihre Art der Neurodiversität zu Schwierigkeiten mit anderen führt, diese aber als Teil ihrer Persönlichkeit ansehen, die durchaus auch gute Seiten hat.
3. ADHS im partnerschaftlichen Alltag oder Zusammenleben
Egal ob du selbst oder dein Partner/deine Partnerin betroffen ist, es hat Auswirkungen auf deinen Alltag und ist sicherlich oftmals Thema von Konflikten und Diskussionen. So ist es für den Betroffenen weitaus schwieriger als für „normale Menschen“, alltägliche Dinge zu erledigen und auf Alltagsroutinen nicht zu vergessen. Somit sind wir beim heiklen Bereich „Haushalt“ angekommen, der oftmals Ursache von Streitigkeiten ist. ADHS-Betroffenen fällt es schwer, nicht alles gleichzeitig zu machen, sie verlieren sich in der Menge der Aufgaben beziehungsweise fangen alles an und beenden nichts. Im schlimmsten Fall rennen sie von einem Raum in den nächsten, ohne tatsächlich etwas zu Ende zu bringen. Es fehlt ihnen an innerer Struktur und sie müssen mehr Energie und Disziplin aufwenden, um nicht ständig abgelenkt zu werden. Somit ist es wichtig für das Paar, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um Aufgaben zeitgerecht erledigen zu können und eine Routine zu entwickeln, die in Folge eingehalten wird. So kann z.B. ein Plan ausgearbeitet werden, wie der Alltag gut gestaltet werden und Routinen entwickelt werden können. Wenn auch Betroffene Routinetätigkeiten nicht mögen und sich selbst oftmals als Freigeist erleben, tut es ihnen längerfristig gut, wenn sie fixe Prozesse und Abläufe entwickeln. Es wird immer wieder zu Abweichungen kommen, das macht aber nichts. Wichtig ist, dass immer wieder zum gemeinsam Besprochenen zurückgekehrt wird und Vereinbarungen eingehalten werden. Es erfordert Geduld und Toleranz von beiden Seiten, um einen funktionierenden Arbeitsalltag zu implementieren. So ist meist der von ADHS nicht betroffene Part genervt und kann nicht verstehen, weshalb der andere nicht einfach seine Dinge erledigen kann. Aufgabe von ihm ist es, diese Eigenheiten nicht als Mangel von Disziplin und „Nicht Wollen“ zu interpretieren, sondern als typische Symptome von ADHS. In Folge ist oftmals der von ADHS-Betroffene genervt und frustriert, da er sich als ständig kritisiert, entwertet oder nicht gut genug erlebt. Wegen jeder Kleinigkeit kritisiert zu werden, nagt an seinem Selbstwert, was in Folge zu Depressionen oder anderen psychischen Problemen führen kann. Noch dazu, wo dies eine Erfahrung ist, die den meisten Betroffenen seit Kindheit und Schulzeit vertraut ist und „Salz in die Wunde streut“. In der partnerschaftlichen Bewältigung der unterschiedlichen Persönlichkeiten besteht die Herausforderung darin, keine Wertigkeit herzustellen, wo eine Art des Erlebens besser als die andere eingestuft wird. Es sind die Kompetenzen unterschiedlich verteilt und ihr könnt voneinander profitieren, wenn ihr es nur
zulässt.
4. Komorbiditäten zu ADHS
Unter Komorbiditäten sind Begleiterkrankungen oder Folgeerkrankungen gemeint. Im Falle von ADHS gibt es einige psychische Problematiken, die in Folge auftreten können. Da ADHS-Betroffene häufig mit Kritik an ihrer Person konfrontiert sind, nagt dies verständlicherweise an ihrem Selbstwert. So treten im Erwachsenenalter oftmals Depressionen auf, die zusätzlich zu einem Leidensdruck führen. Darüber hinaus neigen leider einige ADHS-Betroffene dazu, ihre Neurodiversität selbst zu „behandeln“, was zu einem Drogen- oder Alkoholmissbrauch führen kann. Dass derartige „Selbstbehandlungsversuche“ keine gute Idee sind und meist scheitern, liegt auf der Hand. Meist verstärkt es die Problematik und führt zu noch mehr zwischenmenschlichen Problemen, speziell in der Liebesbeziehung. Falls dies ein Thema in eurer Partnerschaft sein sollte, scheut nicht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Suchtverhalten eines Partners verstärkt die Gefahr für eine Beziehungsdynamik, wo einer von euch (meist der nicht Betroffene) die Rolle des Therapeuten einnimmt und der andere (meist der ADHS-Betroffene), in die Rolle des „Patienten“ schlüpft.
Resümee
Es sind spezielle Herausforderungen, die sich aus der Neurodiversität ADHS ergeben und Auswirkung auf jede zwischenmenschliche Beziehung haben, so auch auf die Liebesbeziehung. Wenn ihr euch aber gemeinsam auf das Abenteuer Partnerschaft einlässt, bei all ́ eurer Unterschiedlichkeit im Erleben, dann kann es eine spannende Reise werden, die sicher nie langweilig wird.
- Falls du akut in einer Krise steckst, die dich selbst bzw. deine Beziehung betrifft, dann schau bei lucky-together.com vorbei und vereinbare einen Coachingtermin!